München (ots) –
– Die Covid-19-Krise trifft die Automobilbranche in einer Zeit, in der sie ohnehin schon mit sinkenden Renditen zu kämpfen hat – Gesamtkapitalrendite (ROCE)sinkt 2015 bis 2019 für OEMs um 47%, für Zulieferer um 36% – Das Betriebsergebnis (EBIT) sinkt 2015 bis 2019 für OEMs um 13%, für Zulieferer um 33% – Nur langsame Erholung: Branche erreicht Absatzhoch aus 2017 mit 94 Mio. verkauften Fahrzeugen erst wieder nach 2025 – Absatzprognose 2020 mit 22,5 Mio. verkauften Fahrzeugen in China und 13,6 Mio. in den USA – Europa erreicht bis 2025 nicht das Niveau von 2019 mit 20,6 Mio. verkauften Fahrzeugen – 2020 mit vermutlich 14,1 Mio. verkauften Fahrzeugen 32% unter dem Vorjahresniveau – Elektromobilität setzt sich trotz Krise durch – prognostizierter Marktanteil für E-Autos liegt 2030 global bei 25%, in Europa bei 37% – Chancen für Unternehmen: Durch die Konsolidierung des Marktes und mit neuen Geschäftsmodellen können sie gestärkt aus der Krise hervorgehen
Automobiler Darwinismus wird die Jahre nach der Covid-19-Krise prägen. Nur die finanz- und innovationsstarken Hersteller und Zulieferer überstehen die bevorstehende Marktbereinigung. Nach einer Phase reduzierter M&A-Aktivitäten beschleunigt sich die Konsolidierung und Übernahme in Not geratener Unternehmen nun erneut. Eine Reduzierung auf bis zu zehn größere Automobilhersteller (OEM) ist möglich – mit Tesla auf dem Weg in diese Gruppe. Der attraktive CASE-Zukunftsmarkt wird unter diesen Überlebenden aufgeteilt (Connected, Autonomous, Shared, Electric).
Nach einer Durststrecke, die bereits 2015 bedingt durch hohe Investitionen in die Zukunft begann, wirkt die aktuelle Krise wie ein Beschleuniger. Mit den richtigen Anreizen können die Herausforderungen jedoch zur Transformation der gesamten Branche beitragen. „Wir erleben einen nie dagewesenen Einbruch am Automobilmarkt. Die Absatzzahlen liegen unter denen nach der Finanzkrise 2008. Selbst das Niveau von 2019 werden europäische OEMs bis 2025 nicht erreichen. Nun heißt es im Sinne von Darwin: Nur die Starken können gewinnen“, so Dr. Elmar Kades, Global Co-Lead Automotive und Managing Director bei AlixPartners.
Das sind einige der zentralen Erkenntnisse aus dem „AlixPartners Global Automotive Outlook 2020“. Für die Studie hat die global agierende Beratung in den vergangenen Monaten die Bilanzen von mehr als 300 Automobilherstellern und -zulieferern ausgewertet sowie eine Vielzahl von Experteninterviews und Verbraucherumfragen durchgeführt.
Covid-19 als Beschleuniger – Kapitalrendite der Hersteller 2019 um 47% eingebrochen, die der Zulieferer um 36%
Bereits 2019 befand sich die Industrie in einer Phase des Abschwungs. Die Gesamtkapitalrendite (ROCE) war von 2015 bis 2019, nicht zuletzt durch erforderliche CASE-Investitionen, um 47% für OEMs und 36% für Zulieferer eingebrochen. Nachdem sowohl Volumen als auch Ertrag 2019 sanken, reduzierte sich die Profitabilität der Hersteller auf 4,8% – den niedrigsten Wert im vergangenen Jahrzehnt. Die AlixPartners-Analyse belegt zudem eindrucksvoll: Jeder zweite der 401 bewerteten Zulieferer stand bereits 2019 unter hohem finanziellem Stress. Die aktuelle Krise könnte dazu führen, dass einige aus dieser Gruppe in eine Notlage geraten.
Die Covid-19-getriebene Rezession wird die Gesamtkapitalrendite im laufenden Jahr ins Negative stürzen lassen. Fünfzig große Hersteller und Zulieferer in den USA und Europa haben im laufenden Jahr bereits angekündigt, zusätzlich 72 Mrd. USD Schulden aufzunehmen. Das entspricht einem Anstieg von 23%, ausgehend vom Rekordniveau in Höhe von 318 Mrd. USD 2019. Verglichen mit der Finanzkrise 2008 waren OEMs und Zulieferer demzufolge schon im Vorfeld der aktuellen Krise finanziell stärker belastet. Eine vollständige Erholung der Branche bis 2025 ist unwahrscheinlich.
„Die globalen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sind im Jahr 2020 so dramatisch, als wäre ein Markt von der Größe Europas über Nacht verschwunden“, sagt Jens Haas, Managing Director und Restrukturierungsexperte bei AlixPartners. „Autoherstellern, Zulieferern und Mobilitätsanbietern stehen nun weniger Mittel aus dem laufenden Geschäft zur Verfügung – und auch zusätzliche Kredite müssen irgendwann zurückbezahlt werden. Alle Kosten, sämtliche Programme und Investitionen müssen daher hinsichtlich Liquidität und Rentabilität neu bewertet und priorisiert werden. Es wird zwangsläufig zu erheblichen Kostensenkungen und Streichungen bzw. Verschiebungen von Investitionen kommen.“
Absatzeinbruch fordert radikale Transformation – Bruttoergebnis schrumpft um 220 Mrd. USD
Die Erholung der Märkte verläuft ungleichmäßig. Die AlixPartners-Studie prognostiziert für das laufende Jahr einen Einbruch der globalen Verkaufszahlen um 20 Mio. im Vergleich zu 2019. Damit sinkt der globale Absatz fast auf das Niveau in der Finanzkrise 2008. Vergleicht man die derzeitige Absatzprognose zudem mit der vor Covid-19, werden in den nächsten drei Jahren sogar 44 Mio. weniger Fahrzeuge verkauft. Das entspricht einem Schrumpfen des Bruttoergebnisses um 220 Mrd. USD.
Der bisherige Wachstumsmotor der Industrie, China, erholt sich mit einer Absatzprognose von 22,5 Mio. verkauften Fahrzeugen 2020 am schnellsten. Es wird stetiges langsames Wachstum bis 2025 erwartet (2020-2025, + 4,2%). Wie in China wird auch für den US-Markt eine V-förmige Entwicklung der Erholung prognostiziert (2020, 13,6 Mio. verkaufte Fahrzeuge).
Europa hat den stärksten Einbruch von 20,6 Mio. verkauften Fahrzeugen im Jahr 2019 auf 14,1 Mio. 2020 (-32%) zu verkraften. Selbst nach der Covid-19-Krise werden bis 2025 die Absatzzahlen von 2019 nicht mehr erreicht. Die AlixPartners-Berater erwarten, dass 2025 vermutlich lediglich 20,4 Mio. Fahrzeuge verkauft werden.
„Jetzt ist die Zeit, alles infrage zu stellen. OEMs müssen die Modellvielfalt reduzieren und sich gleichzeitig von Mitbewerbern differenzieren. Kluge Investitionen in Technologie und die Optimierung der Lieferketten sind ebenso nötig wie die Digitalisierung in Vertrieb, Produktion und Verwaltung“, so Elmar Kades.
Covid-19-Krise kann E-Mobilität nur bremsen – bis 2030 könnte jedes vierte verkaufte Auto elektrisch fahren
Die Studienautoren sehen die Chance, Nachhaltigkeitsziele jetzt nicht zu vernachlässigen, sondern staatliche Subventionen und Regulierungen gezielt dafür einzusetzen. „Die Regierungen in Europa spielen eine verantwortungsvolle Rolle. Das am 3. Juni verabschiedete Konjunkturpaket in Deutschland setzt mit einer Prämie für E-Autos wichtige Impulse. Eine Subvention alter Technologien wäre ein Fehler gewesen“, sagt Marcus Kleinfeld, Managing Director bei AlixPartners. Würde Elektromobilität nicht gefördert, kaufen Verbraucher kurzfristig preiswerte Verbrenner. Diese sind günstiger in der Anschaffung und, dank mittelfristig niedrigem Ölpreis, auch im Unterhalt. Finanzielle Anreize müssen diesen Nachteil ausgleichen, um Käufer zu überzeugen. Denn Kosten für Batterien werden im gleichen Zeitraum nicht ausreichend sinken.
Mit dem European Green Deal hat die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 auf null zu reduzieren. Wenn Strafen für zu hohe CO2-Werte krisenbedingt ausgesetzt werden, kann dies umfangreiche Auswirkungen auf das Verhalten der Hersteller haben. Nach aktuellem Stand wäre es für die meisten Hersteller unmöglich, die Ziele für 2021 zu erreichen – der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Fahrzeug wäre um 21% zu senken. Die für 2020 bis 2024 angekündigten Investitionen in Elektromobilität in Höhe von 234 Mrd. USD erscheinen in einem Markt massiv geschrumpfter Umsätze und geringerer Liquidität unwahrscheinlich. Gerade OEMs werden Investitionen hinauszögern, da ein geringes Volumen pro E-Modell die Rentabilität beeinträchtigt. Da die staatlichen CO2-Sanktionen mittelfristig in Kraft treten, kann die Krise den Elektrotrend jedoch nur verzögern, nicht stoppen. Der Anteil der E-Autos am globalen Markt wird von 3% 2019 auf 25% im Jahr 2030 steigen.
Positive Auswirkungen und Chancen der Krise
Die Erholung der Branche wird durch mehrere Faktoren begünstigt. Zum einen wurden und werden Regierungen weltweit wesentlich schneller aktiv als während der Finanzkrise. Insgesamt investierten sie bereits 5 Bio. USD, um die jeweiligen Volkswirtschaften über alle Branchen hinweg zu stützen. Zum anderen stehen OEMs wie Zulieferer zwar finanziell stärker unter Druck, sind aber strukturell besser auf eine Rezession vorbereitet. Im Rahmen laufender Umstrukturierungen wurden seit 2017 weltweit bereits 24 Werksschließungen von Herstellern angekündigt.
Eine beschleunigte Digitalisierung legt den Grundstein für neue Geschäftsmodelle der Hersteller. Zudem sind weitere Fusionen und Übernahmen sowie Partnerschaften notwendig. 2019 wurden beispielsweise 141 neue Partnerschaften in der Branche bekannt gegeben. Das entspricht einer Steigerung von 26% im Vergleich zum Vorjahr. Davon fanden mit 137 die meisten Kooperationen im Bereich der CASE-Technologien statt.
„Die Automobilbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der mit der Entwicklung von E-Autos allein nicht abgeschlossen ist. Produzenten müssen dorthin gehen, wo es ’schmerzt‘ und zusätzlich zum akuten Krisenmanagement Entscheidungen für die Zukunft ihrer Unternehmen treffen. Jetzt werden alle Fehlentscheidungen der Vergangenheit und verkrustete Strukturen aufgedeckt. Die Überlebenden der Krise gehen mit neuen, oftmals digitalen Geschäftsmodellen und schlanken Produktportfolios voran. Für die nahe Zukunft bedeutet das eine beschleunigte Transformation und Kostendisziplin“, so Kades.
Über AlixPartners
Die global agierende Beratung AlixPartners steht für die ergebnisorientierte Unterstützung namhafter Mandanten bei zeitkritischen und komplexen Transformations- und Ertragssteigerungsprogrammen. Tiefgreifende Branchenexpertise und funktionale Kompetenz sowie die Kenntnis der Hebel erfolgreicher Restrukturierungen ermöglichen es AlixPartners, den Wandel von Groß- und mittelständischen Unternehmen zielgerichtet zu begleiten.
Vom „manager magazin“ und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management & Beratung (WGMB) wurde AlixPartners 2018 als bestes Beratungsunternehmen im Bereich Restrukturierung & Transformation ausgezeichnet. Mit etwa 1.600 Mitarbeitern ist AlixPartners weltweit in mehr als 25 Büros vertreten. AlixPartners-Berater arbeiten an herausfordernden Projekten, die die Zukunft von Unternehmen maßgeblich beeinflussen, oft in kritischen Situationen, bei denen viel auf dem Spiel steht – when it really matters.
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